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Trend­ra­dar: Energieautarkie

Strom­ver­sor­gung als Argu­ment gewerb­li­cher Ansiedlung –
Ener­gie­pro­du­zie­rende Logis­tik­im­mo­bi­lien als Chance

Photovoltaik

Die gewerb­li­che Flä­chen­po­li­tik und die damit ver­bun­dene Wirt­schafts­po­li­tik sucht seit jeher attrak­tive Unter­neh­mens­an­sied­lun­gen, um die lokale Lebens­qua­li­tät der Bewoh­ner zu ver­bes­sern und den jewei­li­gen Stand­ort nach­hal­tig zu ent­wi­ckeln. Die wich­tigs­ten Ziele dabei sind:

  • Schaf­fung und Erhal­tung von Arbeitsplätzen

  • Ein­nah­men durch Gewer­be­steuer und damit ver­bun­dene Stei­ge­rung der wirt­schaft­li­chen Leistungsfähigkeit

  • Stär­kung der regio­na­len Wett­be­werbs­fä­hig­keit und För­de­rung der Innovationskraft

  • Ver­bes­se­rung der Infrastruktur

Unter­neh­men, die bei der Errei­chung die­ser Ziele hel­fen, waren und sind hart umkämpft. Doch die Zei­ten, in denen sich inter­es­sierte Unter­neh­men eine „grüne Wiese“ aus­su­chen und zeit­weise sogar den Grund­stücks­preis bestim­men konn­ten, sind längst vor­bei. Vor allem für die­je­ni­gen, die sich seit Jah­ren mit Logis­tik­im­mo­bi­lien beschäf­ti­gen, ist das nichts Neues. Dass die zuneh­mende Flä­chen­knapp­heit dabei aller­dings nicht die allei­nige Ursa­che ist, soll in die­sem Bei­trag dis­ku­tiert wer­den. In Zukunft bestim­men auch andere Fak­to­ren über Erfolg und Miss­erfolg für den „Match“ zwi­schen Kom­mune[1] und ansied­lungs­wil­li­gen (Logistik-)Unternehmen.

Kom­mu­na­ler Fokus der Gewer­be­flä­chen­po­li­tik in drei Phasen

Die Kri­te­rien Arbeits­kräfte und Gewer­be­steuer sind schon lange nicht mehr ein­zi­ger Fokus der Kom­mu­nen, wenn es um die gewerb­li­che Neu­an­sied­lung von Unter­neh­men geht. Wie sich die all­ge­mei­nen Rah­men­be­din­gun­gen und die Gewich­tung bei der kom­mu­na­len Gewer­be­po­li­tik ver­än­dert haben (und ver­mut­lich wei­ter ver­än­dern), ver­an­schau­licht die fol­gende Tabelle anhand von drei Pha­sen[2]:

[1] Dem Autor ist bewusst, dass die Sprei­zung von Kom­mu­nen in Bezug auf die genann­ten Kri­te­rien erheb­lich ist. Der Begriff Kom­mune wird folg­lich im wei­te­ren Text stell­ver­tre­tend für eine durch­schnitt­li­che Kom­mune in Deutsch­land verwendet.
[2] Mit Phase 1 beginnt in etwa der Zeit­punkt der Logis­tik­im­mo­bi­lien-Pro­jekt­ent­wick­lung. Lager­im­mo­bi­lien, die  vor die­ser Phase gebaut wur­den, ent­stan­den sel­ten aus stra­te­gi­schen Anla­ge­mo­ti­ven, son­dern hat­ten pri­mär ope­ra­ti­ven Nut­zen für die Eigennutzer.
Tabelle 1: Kom­mu­nale Gewer­be­flä­chen­po­li­tik in drei Phasen

Grafik Tabelle

Im Fol­gen­den sol­len die ein­zel­nen Pha­sen, ins­be­son­dere mit Bezug auf die Fol­gen für die Logis­tik­im­mo­bi­lien kurz bespro­chen werden.

Phase 1: Arbeits­lo­sig­keit und leere Kas­sen (bis etwa 2010)

Betrach­tet man die Arbeits­markt­si­tua­tion sowie die Gewer­be­steu­er­ein­nah­men im Zeit­ver­lauf (siehe Abbil­dung), so fällt auf, dass der Wunsch der Kom­mu­nen nach Gewer­be­steuer zah­len­den Unter­neh­men mit hohem Arbeits­kräf­te­be­darf in der Ver­gan­gen­heit beson­ders hoch war. Bis zum Jahr 2005 pen­delte die Arbeits­lo­sen­quote im Wes­ten um die 10 Pro­zent und im Osten gar um 20 Pro­zent. Auch die Gewer­be­steu­er­ein­nah­men beweg­ten sich wenig dyna­misch und blie­ben stets unter 30 Mrd.

Abbil­dung 1: Arbeits­lo­sen­quo­ten und Gewer­be­steu­er­ein­nah­men im Zeitverlauf

Grafik

Zwi­schen etwa 2005 und 2010 ging in Deutsch­land die Arbeits­lo­sen­quote deut­lich nach unten. Folg­lich rückte das Thema im wei­te­ren zeit­li­chen Ver­lauf zuneh­mend in den Hin­ter­grund (wenn auch langsam).

Diese Phase bis 2010 kann rück­bli­ckend – aus der Per­spek­tive der Logis­tik­im­mo­bile – als unkom­pli­zier­teste ange­se­hen wer­den. Trotz der immer häu­fi­ger auf­tre­ten­den kom­mu­na­len Kri­tik hin­sicht­lich schlech­ter Flä­chen­ef­fi­zi­enz (in Bezug auf Mitarbeiter*innen/m²) oder Lärm und Dreck war es ver­gleichs­weise ein­fach, an geeig­nete Grund­stü­cke zu kom­men. Zudem war vor allem der Markt der Pro­jekt­ent­wick­ler noch sehr über­schau­bar. Die über­schau­bare Wett­be­werbs­si­tua­tion war gepaart mit einer ver­gleichs­weise üppi­gen Flä­chen­ver­füg­bar­keit. Teil­weise konn­ten noch Ankaufs­preise ver­han­delt wer­den, was aus heu­ti­ger Sicht undenk­bar ist.

Die dama­lige Situa­tion führte aller­dings zu einer Viel­zahl an Logis­tik­im­mo­bi­lien ein­fachs­ter Bau­art. In die­sem Nach­fra­ge­markt konn­ten Ent­wick­ler­in­ter­es­sen vglw. leicht durch­ge­setzt wer­den. Denn zu strenge kom­mu­nale Auf­la­gen konn­ten dazu füh­ren, inter­es­sierte Ansied­ler zu verschrecken.

Phase 2: Flächenknappheit

Ähn­lich dis­rup­tiv wie der Arbeits­markt – wenn­gleich zeit­lich schwe­rer zuzu­ord­nen – ent­wi­ckelte sich im glei­chen Zeit­raum die Ver­füg­bar­keit gewerb­lich nutz­ba­rer Flä­che. Die zuneh­mende Ver­knap­pung von Flä­chen ist ins­be­son­dere an der Ent­wick­lung der Gewer­be­steu­er­ein­nah­men seit etwa 2010 abzu­le­sen. Seit die­sem Zeit­punkt haben sich diese bis heute in etwa verdoppelt.

Ansied­lungs­wil­lige Unter­neh­men tref­fen in die­ser Phase bis zum heu­ti­gen Tag auf ver­gleichs­weise gesät­tigte Märkte. Dies bedeu­tet zum einen, dass die Kom­mu­nen nur noch wenige Flä­chen anbie­ten (kön­nen). Zudem wird das Pro­blem der abneh­men­den Fach­kräf­te­ver­füg­bar­keit nicht zwangs­läu­fig durch den Zuzug neuer Unter­neh­men gelöst. In vie­len Kom­mu­nen herrscht nahezu Vollbeschäftigung.

Die fol­gende Gra­fik ver­deut­licht die Pro­ble­ma­tik mit Blick auf die wich­tigs­ten Logis­tik­re­gio­nen Deutschlands:

Abbil­dung 2: Matrix der Flä­chen- und Arbeits­kräf­te­po­ten­tiale in den 23 Logistikregionen

Grafik

Diese Phase ist geprägt von der Erkennt­nis, dass zumin­dest Flä­che eine end­li­che Res­source ist. Damit ver­bun­den war eine wesent­lich restrik­ti­vere und anspruchs­vol­lere Flä­chen­ver­gabe sei­tens der Kom­mu­nen. Die Ver­än­de­rung hin zum Ange­bots­markt, in dem zusätz­lich die Nach­frage stark gestie­gen ist, in Ver­bin­dung mit stei­gen­den Anfor­de­run­gen an Öko­lo­gie und Design führte zu neuen, inno­va­ti­ve­ren Ansät­zen bei Logis­tik­im­mo­bi­lien. Die Ent­wick­lung von Brown­fields, Mehr­stö­ckig­keit und Green Buil­dings (inkl. Zer­ti­fi­zie­rungs­we­sen und damit ver­bun­de­nen Qua­li­täts­stan­dards) sind immer häu­fi­ger zu beob­ach­ten, was in Phase 1 noch undenk­bar gewe­sen wäre. Diese Ver­än­de­run­gen waren not­wen­dig, um sich über­haupt im Wett­be­werb um Flä­chen gegen immer mehr wer­dende Markt­teil­neh­mer und gegen­über ande­ren Asset­klas­sen durch­set­zen zu können.

Phase 3: Ener­gie­ge­win­nung & Klimaschutz

Aktu­ell befin­den wir uns in einer neuen Phase aus kom­mu­na­ler Sicht. Der Angriffs­krieg Russ­lands in der Ukraine und der damit ver­bun­dene Import­stopp von rus­si­schem Gas hat die Ener­gie­wende Deutsch­lands not­ge­drun­gen deut­lich beschleu­nigt. Vize­kanz­ler und Wirt­schafts­mi­nis­ter Habeck for­mu­lierte dies­be­züg­lich den ein­zu­schla­gen­den Weg: „Wir müs­sen weg von fos­si­len Ener­gie­trä­gern und weg von der Abhän­gig­keit und Erpress­bar­keit von rus­si­schen Impor­ten. … Nur mit mehr erneu­er­ba­ren Ener­gien und mehr Ener­gie­ef­fi­zi­enz wer­den wir unsere Unab­hän­gig­keit stär­ken. …Das heißt aber auch: weg vom Inten­siv-Ver­brauch, hin zu Ener­gie­ein­spa­rung und Ener­gie­ef­fi­zi­enz.“ Das Ziel ist, dass Deutsch­land bis 2030 80 Pro­zent (in sie­ben Jah­ren!) sei­nes Strom­be­darfs aus erneu­er­ba­ren Ener­gien decken soll. Diese Her­aus­for­de­rung sol­len „alle“ zusam­men lösen, also neben Pri­vat­haus­hal­ten und Unter­neh­men auch die Kommunen.

Die noch feh­len­den rege­ne­ra­ti­ven Ener­gie­res­sour­cen sind dem­entspre­chend flä­chen­de­ckend über das gesamte Land zu ver­tei­len. Folg­lich müs­sen die Kom­mu­nen künf­tig viel stär­ker in das Thema ein­ge­bun­den werden.

Die Hälfte aller Logis­tik­im­mo­bi­lien befin­den sich ver­mut­lich im dezen­tra­len Raum, also auf dem Gebiet klei­ner bis mitt­le­rer Kom­mu­nen. Mit bau­li­chen Fra­gen sind diese beson­de­res häu­fig hoff­nungs­los über­las­tet, sowohl per­so­nell als auch hin­sicht­lich des not­wen­di­gen Know­Hows. Unter aktu­el­len Bedin­gun­gen (z.B. Netz­an­schluss, büro­kra­ti­sche Hür­den, etc.) scheint die Ziel­er­rei­chung zur Sisy­phus­auf­gabe zu wer­den, wenn die gro­ßen Menge an Pri­vat­haus­hal­ten mit Pho­to­vol­taik-Anla­gen aus­stat­tet und an das Netz genom­men wer­den muss.

Wer hat die größ­ten (Dach-)Flächen?

Eine nahe­lie­gende Lösung für Kom­mu­nen ist daher, die­je­ni­gen ener­ge­tisch zu ertüch­ti­gen, die die größ­ten gewerb­li­chen Flä­chen in der Kom­mune bewirt­schaf­ten. Zumin­dest könnte so ein Viel­fa­ches an büro­kra­ti­schen Ein­zel­vor­gän­gen ver­mie­den wer­den.[1]

Mit Blick in die Zukunft bie­ten sich somit für Anbie­ter oder Betrei­ber von Logis­tik­im­mo­bi­lien ganz neue Ansätze und Chan­cen. Künf­tig könn­ten kleine kom­mu­nale Kraft­werke ent­ste­hen, die sowohl Solar­ener­gie als auch Ener­gie durch Wind­kraft (oder andere Alter­na­ti­ven) erzeu­gen. Neben den Flä­chen auf dem Gebäu­de­dach könn­ten z.B. auch alle Park­plätze über­dacht und mit Solar­an­la­gen aus­ge­stat­tet wer­den. Diese Gebäude wären ein wich­ti­ges Puz­zle­stück zur Errei­chung der kom­mu­na­len Ener­gie­ziele. Die Nut­zung der Ener­gie­im­mo­bi­lie könnte dann durch­aus auch Logis­tik sein.

Die Ent­wick­ler und Betrei­ber eines sol­chen Kraft­werks wären die glei­chen, die heute reine Logis­tik­im­mo­bi­lien errich­ten. Da zukünf­tig auch die ESG-Kri­te­rien immer anspruchs­vol­ler wer­den, ist die Dop­pel­nut­zung einer sol­cher Immo­bi­lie nur kon­se­quent, denn selbst im Falle eines Leer­stands bleibt immer noch die Ener­gie­ge­win­nung als Risi­ko­ab­de­ckung  – ins­be­son­dere für die Kommune.

Fazit:

Die Ver­gan­gen­heit hat gezeigt, dass die Logis­tik­im­mo­bi­lie sowie deren Ent­wick­ler hohe Adap­ti­ons­fä­hig­kei­ten auf­wei­sen und sich durch­aus an externe Ein­flüsse sowie neue Her­aus­for­de­run­gen anpas­sen kön­nen. Den­noch muss man kon­sta­tie­ren, ver­mut­lich auch dem jun­gen Alter der Asset­klasse geschul­det, dass die Mehr­heit der bis­her ent­stan­de­nen Logis­tik­im­mo­bi­lien bis heute weder auf­fal­lend inno­va­tiv gebaut noch anspruchs­voll desi­gned wur­den. Der Logis­tik­im­mo­bi­lie fehlte es bis heute vor allem aus kom­mu­na­ler Sicht an posi­ti­ven Allein­stel­lungs­merk­ma­len und somit an guten Argu­men­ten beim Ansied­lungs­pro­zess. Doch im Wett­be­werb unter der Asset­klas­sen könnte die Logis­tik­im­mo­bi­lie in Zukunft zumin­dest durch den Zweit­nut­zen als Kraft­werk in Sachen Ener­gie die Nase vorn haben.

[1] Siehe dazu auch: Ramp One Inter­view, März 2022: https://www.ramp-one.de/energieautonomie-im-fokus/

Autor: Prof. Dr. Alex­an­der Nehm, DHBW Mannheim

Quel­len­ver­zeich­nis:
Abb 1. Quelle: Prof. Dr. Alex­an­der Nehm in Anleh­nung an WSI (https://www.wsi.de/de/erwerbsarbeit-14617-arbeitslosenquoten-26623.htm) und Desta­tis 2023 (https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/08/PD21_362_713.html)
Tabelle 1 Quelle: Initia­tive Logis­tik­im­mo­bi­lie (Logix) 
Abb. 2. Quelle: Nehm/­Ve­res-Homm 2018: Stand­ort­kom­pass, Logix (Hrsg.): https://www.logix-award.de/wp-content/uploads/2018/10/logix_Standortkompass_2018.pdf

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Trend­ra­dar: Biodivdersität

Bunt statt Ein­heits­grün – Bio­di­ver­si­tät gibt es nicht nur im Regenwald

Ohne die Bio­di­ver­si­tät und die Leis­tun­gen der Öko­sys­teme, die wir Men­schen viel­fäl­tig nut­zen, wären die Exis­tenz­grund­lage, die Gesund­heit und das Wohl­erge­hen aller Völ­ker und Gesell­schaf­ten in Gefahr. Die Gestal­tung der Außen­an­la­gen kann einen nach­weis­bar posi­ti­ven Ein­fluss auf die Bio­di­ver­si­tät am Stand­ort haben. Sie schafft neben­her lebens­werte Umge­bun­gen, die Iden­ti­tät und Zuge­hö­rig­keit stif­ten und die den Fol­gen des Kli­ma­wan­dels ent­ge­gen­wir­ken. Der rela­tive Flä­chen­an­teil ist zwar über­schau­bar, die abso­lu­ten Flä­chen sum­mie­ren sich jedoch und kön­nen grö­ßere Wir­kung als Ver­bund­bau­stein von Bio­to­pen erzie­len. Durch die bio­di­ver­si­täts­för­dernde Gestal­tung wird ein Bei­trag zur Ein­hal­tung der euro­päi­schen und natio­na­len Ziele zum Erhalt und der Wie­der­her­stel­lung der Arten­viel­falt geleistet.

Modern architecture building in Prague

Den Weg und die erfor­der­li­chen Maß­nah­men für die Aus­ge­stal­tung der Frei­flä­chen gibt die Bio­di­ver­si­täts­stra­te­gie vor. Die beauf­trag­ten Fach­pla­ner wer­den zunächst den Stand­ort und die Umge­bung unter­su­chen, um vor­han­dene Lebens­räume und Spe­zien zu erfas­sen. Dar­auf basie­rend wird ein Kon­zept erstellt, wel­che Maß­nah­men am Stand­ort sinn­voll sind – ein­mal hin­sicht­lich der Wir­kung zur Erhal­tung und Ver­bes­se­rung der Bio­di­ver­si­tät, also wel­che Arten pas­sen zum Stand­ort und wie sind geän­derte Umwelt­be­din­gun­gen durch den Kli­ma­wan­del zu berück­sich­ti­gen. Ande­rer­seits ist auch die Nut­zung des Stand­or­tes zu berück­sich­ti­gen, also bei­spiels­weise Lärm- und Schad­stoff­emis­sio­nen, Gefah­ren­quel­len durch Fahr­ver­kehre, wei­tere vor­zu­se­hende Nut­zun­gen der Außen­be­rei­che wie z.B. Auf­ent­halts­be­rei­che aber auch die prak­ti­ka­ble Instal­la­tion und der Pfle­ge­auf­wand der bio­di­ver­si­täts­för­dern­den Maß­nah­men. Wei­ter­hin gibt der Sach­ver­stän­dige Hin­weise, wie die instal­lier­ten Lebens­raum­struk­tur­ty­pen zu pfle­gen und zu war­ten sind und ob ein Moni­to­ring oder zusätz­li­che, z.B. jah­res­zei­ten­be­zo­gene, Schutz­maß­nah­men erfor­der­lich sind. Ers­tes Ziel ist die Erhal­tung und der Schutz even­tu­ell bereits vor­han­de­ner Lebens­räume und Arten oder ggf. deren Umsiedelung.

Ein wesent­li­cher Bestand­teil einer bio­di­ver­si­täts­för­dern­den Gestal­tung ist die Aus­wahl ein­hei­mi­scher, stand­ort­ge­rech­ter und pfle­ge­leich­ter, natur­na­her Pflan­zen. Das reicht von Baum­grup­pen über Sträu­cher und Stau­den bis zu den boden­na­hen Ansaa­ten. Weni­ger ist hier oft mehr, so ent­fällt z.B. das regel­mä­ßige Rasen­mä­hen und über­haupt der tritt­feste Spor­tra­sen: Blüh­wie­sen und Streu­obst­bäume bie­ten Nah­rung für Insek­ten und Vögel und sind von Früh­jahr bis Herbst vol­ler Leben. Ein Über­maß an „Pflege“ ist hier gar nicht gewünscht, die Natur soll mög­lichst stö­rungs­arm schal­ten und wal­ten. Selbst­ver­ständ­lich ist der Ver­zicht auf Pes­ti­zide und Her­bi­zide in der Unter­halts­pflege. Bei Ver­wen­dung von Holz muss der Holz­schutz kon­struk­tiv aus­ge­führt wer­den. Bei Pflan­zen­erde und Sub­stra­ten sol­len bio­gene Zuschlag­stoffe wie z. B. Holz­fa­sern, Rin­den­kom­post, Grün­gut­kom­post oder Reis­s­pel­zen ver­wen­det werden.

Übri­gens kön­nen die vor­ge­nann­ten Maß­nah­men auch auf Dach­flä­chen mit durch­schnitt­lich mind. 12 cm Sub­strat­schicht oder durch­schnitt­lich 10 cm Sub­strat­schicht bei einer Kom­bi­na­tion mit PV umge­setzt wer­den. Was­ser­flä­chen von Ver­si­cke­rungs­mul­den oder Regen­rück­hal­te­be­cken kön­nen wei­che und mit natur­na­her Vege­ta­tion bewach­sene Böschun­gen und Kan­ten erhal­ten und so zu Lebens­räu­men wer­den. Tot­holz­hau­fen oder ste­hen­des Tot­holz, Stein­mau­ern und ‑sta­pel beher­ber­gen Habi­tate für Klein­tiere und Insek­ten und schaf­fen ein abwechs­lungs­rei­ches Bild der Frei­flä­chen. Lärm­schutz­wälle und tech­nisch erfor­der­li­che Böschun­gen kön­nen in die Gestal­tung inte­griert wer­den, wie z.B. erfor­der­li­che Hang­be­fes­ti­gun­gen. Auch die Gebäu­de­fas­sade kann in die Maß­nah­men inte­griert wer­den und Nist­hil­fen und Insek­ten­ho­tels auf­neh­men. Die Beleuch­tung im Außen­be­reich und am Gebäude sollte blend­frei, insek­ten­freund­lich und nach unten aus­ge­rich­tet sein. In der Pra­xis han­delt es sich also häu­fig um sehr ein­fa­che, pflege- und kos­ten­arme Maß­nah­men, die sich gut in die Pla­nung der erfor­der­li­chen Ver­kehrs­flä­chen und Neben­an­la­gen inte­grie­ren lassen.

Natur

Und was ist mit den Men­schen? Auf­ent­halts­mög­lich­kei­ten im Außen­raum bie­ten Mit­ar­bei­tern und Besu­chern Mög­lich­kei­ten zur Ent­span­nung und zum Stress­ab­bau sowie die Chance für infor­melle soziale Kon­takte und Kom­mu­ni­ka­tion. Sie erhö­hen den Wert und die Attrak­ti­vi­tät des Stand­or­tes. Zu emp­feh­len sind:

*Orte zum Aus­tausch, die auf gemein­schaft­li­che Nut­zung aus­ge­legt sind mit sich zuge­wand­ten Sitz- und Steh­ge­le­gen­hei­ten, Grill­stel­len oder wet­ter­fes­ter Außen­mö­blie­rung für Essens­pau­sen mit Sitz­grup­pen und Tischen

*Orte zum Nach­den­ken, die lärm- und sicht­ge­schützt sowie tech­nisch aus­ge­stat­tet sind, mit ein­zel­nen klei­ne­ren Sitz­ge­le­gen­hei­ten inkl. Strom- und / oder Inter­net­zu­gang etc.

*Orte zur För­de­rung von Akti­vi­tä­ten mit Fit­ness- und Bewe­gungs­ge­rä­ten, Spa­zier­weg, Boule­platz oder Tischtennisplatte

Der Kom­fort der Auf­ent­halts­be­rei­che im Außen­be­reich ist für die täg­li­che und sai­so­nale Nut­zungs­mög­lich­keit sowie für deren Attrak­ti­vi­tät von gro­ßer Bedeu­tung. Die Berei­che sol­len über das ganze Jahr hin­weg gute kli­ma­ti­sche Bedin­gun­gen haben, sprich genug Sonne und Schutz vor kal­ten Win­den und Regen im Win­ter sowie Son­nen­schutz im Som­mer. Sonst blei­ben die Räume wenig attrak­tiv und im Tages- bzw. Jah­res­ab­lauf nur teil­weise nutzbar.

Natur

Autorin: Doreen Kru­schina, Planung+Baumanagement

Die 5 größ­ten Fak­to­ren für den Ver­lust von Bio­di­ver­si­tät (Quelle: DGNB)

Grafik

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Trend­ra­dar: Wasserstoff

Zukunfts­trends im Energiemanagement

Was­ser­stoff

hausfassade

Was­ser­stoff (che­misch: H2) ist das im Uni­ver­sum am häu­figs­ten vor­kom­mende Ele­ment. Es wird seit Jahr­zehn­ten in der Indus­trie ver­wen­det und kommt – mit stei­gen­der Beliebt­heit – in ver­schie­de­nen Sek­to­ren zum Ein­satz. Nicht etwa als Ener­gie­quelle“, son­dern als Ener­gie­trä­ger wird Was­ser­stoff zur Bereit­stel­lung und Spei­che­rung von Ener­gie ver­wen­det. Oft wird H2 zur Strom- und Wär­me­er­zeu­gung mit­hilfe von Brenn­stoff­zel­len ver­wen­det. Als „Abgas“ ent­steht dabei nur Wasserdampf. 

Her­ge­stellt wird der Ener­gie­trä­ger Was­ser­stoff in der Regel durch Elek­tro­lyse, Dampf­re­for­mie­rung oder durch Fer­men­ta­tion. Dabei unter­schei­det man vor allem zwi­schen soge­nann­tem “grü­nem” Was­ser­stoff, der rege­ne­ra­tiv her­ge­stellt wird, und “blauen” – also nicht rege­ne­ra­ti­ven – Was­ser­stoff sowie wei­te­ren Misch­for­men: Grü­ner Was­ser­stoff hat das Poten­zial, zur Dekar­bo­ni­sie­rung von Logis­tik­ge­bäu­den und des Ver­kehrs­sek­tors bei­zu­tra­gen, ins­be­son­dere in schwer zugäng­li­chen Gebie­ten für Hei­zung und Schwertransport.

Zu den Anwen­dungs­fel­dern von H2 in der Logis­tik gehö­ren Kraft-Wärme-Kopp­lungs­sys­teme, die Not­strom­ver­sor­gung, die Spei­che­rung und Nut­zung erneu­er­ba­rer Ener­gien, der Trans­port (Gabel­stap­ler, Lkw, Pkw, Schiffe).
Nach­hal­tige Lösun­gen mit Was­ser­stoff sehen in der Regel wie folgt aus:

  1. Erzeu­gung aus erneu­er­ba­ren Ener­gien (zum Bei­spiel Pho­to­vol­taik- und Wind­kraft­an­la­gen) in Kom­bi­na­tion mit Elektrolyseuren
  2. Spei­che­rung in Hochdrucktanks
  3. Rück­um­wand­lung in elek­tri­schen Strom und Wärme über Brenn­stoff­zel­len; sta­tio­näre oder mobile Anwendung.

Inves­ti­ti­ons­pro­gramme und ‑fonds für die For­schung und die Beschleu­ni­gung der Kom­mer­zia­li­sie­rung und des Ein­sat­zes von Was­ser­stoff- und Brenn­stoff­zel­len­tech­no­lo­gien lau­fen ver­stärkt seit eini­ger Zeit. In den letz­ten Jah­ren wur­den bedeu­tende Fort­schritte im Bereich der H2-Pro­duk­tion, des Trans­ports und der Spei­che­rung erreicht, was Ver­bes­se­run­gen sowohl bei den Kos­ten als auch bei der Gesamtef­fi­zi­enz der Was­ser­stoff­tech­no­lo­gie sowie die Betriebs­si­cher­heit ver­bes­sert hat.

Begrenzt wird die Nut­zung wei­ter­hin durch zahl­rei­che Her­aus­for­de­run­gen bei der Ein­füh­rung von H2. Denn für eine groß­flä­chige Ver­füg­bar­keit von grü­nem Was­ser­stoff ist etwa die der­zei­tige Infra­struk­tur noch nicht aus­rei­chend. Eben­falls fal­len hohe Gesamt­kos­ten an, ein­schließ­lich Kapi­tal- und Betriebs­kos­ten. Viel zu tun gibt es auch beim Thema Effi­zi­enz: die Erzeu­gung und der Ver­brauch müs­sen dies­be­züg­lich wei­ter­hin ver­bes­sert wer­den, ebenso wie die Leis­tungs­über­wa­chung und der Kun­den­dienst für Wasserstofftechnologien.

Pho­to­vol­taik und Was­ser­stoff: Selbst erzeu­gen und nutzen!

Der Anwen­dungs­fall für grü­nen Was­ser­stoff im Immo­bi­li­en­be­reich besteht darin, die ver­füg­bare Dach­flä­che um bestehende oder neue Pho­to­vol­ta­ik­an­la­gen zu erwei­tern. Mit­hilfe eines Elek­tro­ly­se­urs wird dann grü­ner Was­ser­stoff erzeugt, kom­pri­miert und gespei­chert. Die­ser Was­ser­stoff kann nun als Kraft­stoff für die Fahr­zeuge oder zur Rück­ver­stro­mung (inkl. Wär­me­er­zeu­gung) über eine Brenn­stoff­zelle genutzt wer­den. Je nach Aus­le­gung bzw. Größe der Anlage kann so ein gewis­ser Teil des Wär­me­en­er­gie­be­darfs sowie des Strom­be­darfs zeit­ge­recht erzeugt wer­den. Was­ser­stoff hat eine hohe Ener­gie­dichte, was bedeu­tet, dass viel Ener­gie auf einer rela­tiv klei­nen Grund­flä­che gespei­chert wer­den kann, was auch für Immo­bi­lien von Vor­teil ist.

Die Nut­zung gro­ßer Wind­ener­gie­an­la­gen (statt Pho­to­vol­taik) ist grund­sätz­lich auch mög­lich, zieht jedoch geneh­mi­gungs­recht­li­che Fra­gen nach sich. Ein Vor­teil dabei ist eine gleich­mä­ßi­gere Pro­duk­tion im Jah­res­ver­lauf. Bereits heute wer­den Pho­to­vol­taik- und Wind­kraft­an­la­gen genutzt, um über­schüs­si­gen Strom in Form von Was­ser­stoff zu spei­chern, und so die Belas­tung des Strom­net­zes zu ver­rin­gern. Auf die­ser Grund­lage las­sen sich ebenso soge­nannte “Mikro­grids” in länd­li­chen Gebie­ten auf­bauen, um ganze Gemein­den teils mit grü­nem Was­ser­stoff zu ver­sor­gen und so den CO2-Fuß­ab­druck zu verringern.

Autor: Filip Zaha­riev, Regio­nal Sourcing Mana­ger Con­s­truc­tion & Uti­li­ties Cor­po­rate Pro­cu­re­ment, DHL Group

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Trend­ra­dar: City-Logistik

City-Logis­tik braucht zukunfts­ge­recht aus­ge­stat­tete Immobilien

City-Logistik

Bedingt durch die hohen Wachs­tums­ra­ten des Online­han­dels steigt die Anzahl der Paket­sen­dun­gen jähr­lich an. Im Jahr 2021 erreichte das Niveau 4,51 Mil­li­ar­den Sen­dun­gen. Das ent­spricht einem Plus von 11,2 Pro­zent gegen­über dem Vor­jahr. Der­zeit wer­den im Schnitt pro Tag 15 Mil­lio­nen Sen­dun­gen an 9 Mil­lio­nen Emp­fän­ge­rin­nen und Emp­fän­ger im pri­va­ten und gewerb­li­chen Bereich zuge­stellt. Die Her­aus­for­de­rung für die Paket­bran­che besteht vor allem darin, die ste­tig wach­sen­den Sen­dungs­vo­lu­mina wei­ter­hin schnell, zuver­läs­sig, fle­xi­bel und vor allem kli­ma­freund­lich zuzustellen.

Die Ent­wick­lung der Neu­bau­ak­ti­vi­tä­ten bei Logis­tik­im­mo­bi­lien für die KEP-Bran­che (Kurier‑, Express‑, Paket-) geht mit dem zuvor genann­ten E‑Com­merce-Wachs­tum ein­her. Im Jahre 2021 erreich­ten die Neu­bau­ak­ti­vi­tä­ten mit knapp 6 Mil­lio­nen Qua­drat­me­tern einen neuen Höchst­stand. Das bis­he­rige Spit­zen­ni­veau von 2019 wurde damit um 1,7 Mil­lio­nen Qua­drat­me­tern über­trof­fen. Für 2022 wird ein Wachs­tum auf 6,6 Mil­lio­nen erwartet.

KEP-Anla­gen sind gegen­über her­kömm­li­chen Stan­dard-Logis­tik­im­mo­bi­lien ver­hält­nis­mä­ßig klein. Dies bedeu­tet aller­dings nicht, dass sie stra­te­gisch betrach­tet weni­ger rele­vant sind, denn schließ­lich kön­nen sich lang­fris­tig nur Online-Händ­ler und Zustel­ler eta­blie­ren, die ihren Kun­din­nen und Kun­den die beste Logis­tik anbieten.

Nut­zer der KEP-Immo­bi­lien sind neben den gleich­na­mi­gen Dienst­leis­tern auch E‑Com­merce-Unter­neh­men und Händ­ler selbst. Abhän­gig von der Netz­ge­stal­tung und Ser­vice­ori­en­tie­rung bezie­hen diese Unter­neh­men Objekte im inner­städ­ti­schen Bereich, zwi­schen Bal­lungs­zen­tren oder weit außer­halb. Inner­städ­ti­sche Logis­tik­im­mo­bi­lien machen nur einen Bruch­teil am Markt aus – nicht zuletzt, weil die Kos­ten für Grund­stück und Immo­bi­lien in urba­nen Regio­nen sehr viel höher sind, ver­gli­chen mit länd­li­chen Regio­nen. Der kos­ten­ef­fi­zi­en­teste Ansatz bleibt für die Nut­zer von KEP-Anla­gen wei­ter­hin die Zen­tral­la­ger­stra­te­gie in Ver­bin­dung mit leis­tungs­fä­hi­gen Umschlags­hal­len, die in der Nähe von Bal­lungs­zen­tren ange­sie­delt sind.

Die Paket­bran­che ist seit jeher offen für die Erpro­bung und den Ein­satz von inno­va­ti­ven Kon­zep­ten, die eine kli­ma­freund­li­che und effi­zi­ente Paket­lo­gis­tik för­dern. Auf­grund der stei­gen­den Sen­dungs­vo­lu­mina sowie zuneh­mend kli­ma­freund­li­chen Zustell­kon­zep­ten muss des­halb die städ­ti­sche Logis­tik noch viel umfang­rei­cher gedacht und stär­ker von den Immo­bi­li­en­ent­wick­lern und den Städ­ten berück­sich­tigt wer­den. Einen wich­ti­gen Bau­stein bei der emis­si­ons­freien Gestal­tung des Lie­fer­ver­kehrs im urba­nen Kon­text stel­len soge­nannte Mikro-Depots in Kom­bi­na­tion mit Cargo-Bikes – auch bekannt als Las­ten­rä­der – dar. Mikro-Depots sind Zwi­schen­la­ger, die die Paket­dienste an geeig­ne­ten Orten in urba­nen Zustell­be­zir­ken ein­rich­ten. Von dort star­ten Cargo-Bikes oder E‑Scooter die emis­si­ons­freie Zustel­lung auf der letz­ten Meile.

Die City-Logis­tik wird künf­tig vor allem auf zukunfts­ge­recht aus­ge­stat­tete Immo­bi­lien ange­wie­sen sein. Stich­wort E‑Mobilität: Die KEP-Bran­che ist ein prä­de­sti­nier­tes Ein­satz­feld für Elek­tro­fahr­zeuge im städ­ti­schen Ver­kehr. Aktu­elle Her­aus­for­de­run­gen lie­gen hier noch in den hohen Inves­ti­tio­nen in die Lade­infra­struk­tur, ins­be­son­dere an Depots und Ver­tei­ler­zen­tren. Gerade bei der Par­al­lel­la­dung meh­re­rer Fahr­zeuge in Depots ist eine ent­spre­chende Anschluss­leis­tung und Netz­ka­pa­zi­tät zu gewähr­leis­ten. Per­spek­ti­visch wird die Bedie­nung der letz­ten Meile über­wie­gend elek­trisch erfol­gen. Zum Wohle der Ver­brau­che­rin­nen und Ver­brau­cher, des Kli­ma­schut­zes und vor allem künf­ti­ger Gene­ra­tio­nen müs­sen ent­spre­chende Maß­nah­men rasch umge­setzt werden.

Autor: Mar­ten Bos­sel­mann, Vor­sit­zen­der Bun­des­ver­band Paket & Express Logis­tik (BIEK)

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Trend­ra­dar: Unter­bro­chene Lieferketten

Unter­bro­chene Lie­fer­ket­ten
Ver­än­derte Stand­ort­mus­ter auf­grund tur­bu­len­ter Zeiten

Das Jahr 2022 ist für die glo­ba­li­sierte Welt und damit ins­be­son­dere dem Wirt­schafts­stand­ort Deutsch­land ein Jahr der Extreme. Zu Beginn des Jah­res stan­den noch die geris­sene Lie­fer­ket­ten in Fern­ost im Fokus und ein mög­li­ches Re- oder Near­sho­ring-Sze­na­rio von ehe­mals nach Asien aus­ge­la­ger­ten Betrie­ben wurde breit the­ma­ti­siert. Ledig­lich ein hal­bes Jahr spä­ter wird in der Bericht­erstat­tung eine mög­li­che Deindus­tria­li­sie­rung der hei­mi­schen Wirt­schaft auf­grund der gras­sie­ren­den Ener­gie­preis­ent­wick­lung durch den rus­si­schen Angriffs­krieg auf die Ukraine und in der Folge auch auf unsere Ener­gie­ver­sor­gung in Spiel gebracht. Beide Ent­wick­lun­gen sind mög­li­che Sze­na­rien und wer­den weder ganz noch gar nicht Nie­der­schlag in der wei­te­ren Ent­wick­lung fin­den. Im Fol­gen­den wird ledig­lich das Ver­tei­lungs­po­ten­zial für Re- und Near­sho­ring in Deutsch­land und Europa in der einen Spiel­art bei­der Sze­na­rien skizziert.

Es war die Pan­de­mie, die die Fra­gi­li­tät der Ver­sor­gungs­ket­ten zum ers­ten Mal für alle sicht­bar gemacht hat. Doch der rus­si­sche Angriffs­krieg gegen die Ukraine und seine Fol­ge­er­schei­nun­gen sind weit­aus gra­vie­ren­der. Sie ver­schär­fen das Pro­blem der Unter­bre­chung von Lie­fer­ket­ten dra­ma­tisch. Die Lie­fer­ket­ten sind nicht so wider­stands­fä­hig, wie man in einer glo­ba­li­sier­ten Welt ange­nom­men hat. Als wäre dies nicht bereits genug, füh­ren die geo­po­li­ti­schen Span­nun­gen um Tai­wan aber­mals vor Augen, dass die Werk­bank der Welt nicht mehr so sta­bil ist, wie einst ange­nom­men. Letzt­lich muss fest­ge­stellt wer­den, dass die Glo­ba­li­sie­rung, so wie wir sie seit Deka­den ken­nen, sich nicht ein­fach fort­set­zen wird. Sie erfährt eine Neu­aus­rich­tung, die auch Aus­wir­kun­gen auf den Logis­tik­flä­chen­be­darf haben wird.

Ist die Glo­ba­li­sie­rung bereit für einen Neu­an­fang? New­s­ho­ring-Poten­ziale in Europa

Die Pan­de­mie hat eine Debatte dar­über aus­ge­löst, dass Pro­duk­ti­ons­li­nien und Lie­fer­ket­ten ver­kürzt, dif­fe­ren­ziert und ten­den­zi­ell wie­der näher an die Ver­brau­cher in Europa aus­ge­rich­tet wer­den müssen.

Das würde einen Para­dig­men­wech­sel bedeu­ten. Die Pan­de­mie allein wäre nicht Grund genug gewe­sen. Schließ­lich gab es gute Gründe, die Pro­duk­tion nach China oder in andere asia­ti­sche Märkte zu ver­la­gern. Die von der Pan­de­mie gebeu­tel­ten Unter­neh­men hat­ten gehofft, dass sich die Dinge mit­tel­fris­tig nor­ma­li­sie­ren wür­den. Eine Rück­ver­la­ge­rung der Pro­duk­tion und die Inkauf­nahme von Gewinn­ein­bu­ßen erschie­nen unrealistisch.

Doch die in immer kür­ze­ren Abstän­den auf­tre­ten­den und gra­vie­ren­der wer­den­den Kri­sen haben dafür gesorgt, dass die Her­stel­ler ihren Kurs über­den­ken. Auto­no­mie und Sicher­heit haben für sie jetzt eine höhere Prio­ri­tät. In der Pro­duk­tion hat dies zu einem “China-plus-eins”-Ansatz geführt. Dabei wird ein chi­ne­si­scher Pro­duk­ti­ons­stand­ort durch einen oder meh­rere alter­na­tive Stand­orte ergänzt. Diese kön­nen in ande­ren asia­ti­schen Län­dern wie Malay­sia oder Viet­nam ange­sie­delt sein. Der “plus-eins”-Standort könnte aber auch in Europa lie­gen. Auch wenn es noch Ein­zel­fälle sind, die Zahl der Bei­spiele nimmt zu. Die Art der Ver­la­ge­rung oder Auf­bau an zusätz­li­chen Logis­tik­flä­chen kann vari­ie­ren und wer­den unter dem Sam­mel­be­griff „New­s­ho­ring“ sub­su­miert. Dar­un­ter fallen:

  • Re-/Ne­ar­sho­ring: Die Ver­kür­zung der Lie­fer­ket­ten kann sich in einer erhöh­ten Nach­frage nach Indus­trie­flä­chen und auf­grund vor- und nach­ge­la­ger­ter Pro­zesse auch nach Logis­tik­flä­chen nie­der­schla­gen. Teil­weise ist auch mit einer zusätz­li­chen Nach­frage in den Kern­märk­ten der klas­si­schen “Blue Banana”-Industrieregionen wie Deutsch­land, Frank­reich und Groß­bri­tan­nien zu rech­nen. Also Län­der, die frü­her vor allem aus­ge­la­gert haben und nun die Pro­duk­tion zurück­ho­len (Re-Sho­ring). Auf­grund der hohen Preis­struk­tu­ren (Löhne, Ener­gie) in die­sen Län­dern sowie ande­rer Facet­ten wird eine Rück­ver­la­ge­rung in güns­ti­gere Märkte, vor allem in Ost­eu­ropa, aber auch in Nach­bar­län­der (z. B. Tür­kei) eben­falls eine häu­fige Option sein (Near­sho­ring).
  • Lager­be­darf in der Pro­duk­tion (Just-in-case-Lager­hal­tung): Bis vor kur­zem galt vor allem in der Auto­mo­bil­in­dus­trie die Maxime der Just-in-time-Pro­duk­tion und der Redu­zie­rung der Lager­hal­tung auf das abso­lute Mini­mum. Das hat sich in der Pan­de­mie, aber auch im Ukraine-Krieg gerächt. Jetzt ste­hen die Pro­duk­ti­ons­bän­der immer öfter still. Damit sich das nicht wie­der­holt, den­ken immer mehr Unter­neh­men um und bauen red­un­dante Lie­fer­ket­ten auf. Auch die Reak­ti­vie­rung der Lager­hal­tung steht auf der Tages­ord­nung. Denn Pro­duk­ti­ons­still­stand ist kos­ten­in­ten­si­ver als Lagerhaltung.
  • Kon­sum und Bevöl­ke­rungs­an­ge­bot: Leere Regale in Super­märk­ten waren für die meis­ten Men­schen in West­eu­ropa ein Novum. Der Brexit und vor allem die Pan­de­mie haben die Sys­tem­re­le­vanz der Logis­tik deut­lich gemacht. Dazu gehört eine erhöhte Lager­hal­tung. Dies gilt jedoch nicht nur für die kon­sum­ori­en­tierte Ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung, son­dern auch für die Kata­stro­phen­vor­sorge. Stra­te­gi­sche Vor­räte an Medi­ka­men­ten, Lebens­mit­teln und ver­gleich­ba­ren Gütern waren schnell auf­ge­braucht, wenn sie über­haupt noch vor­han­den waren. Hier gilt es gegen­zu­steu­ern und stra­te­gi­sche Reser­ven zu bil­den. Hier­für wer­den Lager­flä­chen benötigt.
  • E‑Commerce: Die Pan­de­mie hat sich als Boos­ter für das ver­än­derte Kon­sum­ver­hal­ten ent­wi­ckelt und das Bestell­vo­lu­men im Inter­net enorm gestei­gert. Hier­für wur­den mas­sive Logis­tik­flä­chen benö­tigt und auch neu geschaf­fen. Kurz vor Aus­bruch des Ukraine-Krie­ges stand die Bevöl­ke­rung kurz davor, die wäh­rend der Pan­de­mie auf­ge­stau­ten Kon­sum­aus­ga­ben zu täti­gen. Die hohe Infla­tion und die unsi­che­ren Aus­sich­ten in Kriegs­zei­ten führ­ten jedoch zu einer Ver­lang­sa­mung der Kon­sum­aus­ga­ben, so dass der­zeit in eini­gen Berei­chen Über­ka­pa­zi­tä­ten zu spü­ren sind. Doch dies ist nur eine Moment­auf­nahme. Im Grunde ist die Sät­ti­gungs­grenze im E‑Commerce noch nicht erreicht. Es gibt noch eine Menge zusätz­li­cher Nachfrage.

Wie geht es nun weiter?

Die der­zei­tige Situa­tion ist eher durch eine abwar­tende Hal­tung gekenn­zeich­net. Es gibt jedoch Anzei­chen dafür, dass aus den genann­ten Grün­den mit­tel­fris­tig mit einer zusätz­li­chen Nach­frage nach Indus­trie- und Logis­tik­flä­chen in Europa zu rech­nen ist. Wie hoch diese Nach­frage sein wird, lässt sich der­zeit kaum valide abschät­zen. Auch sind die stei­gen­den Ener­gie­kos­ten, die geringe Arbeits­kräf­te­ver­füg­bar­keit und die hohen Lohn­kos­ten­ni­veaus gra­vie­rende Aspekte, die die zag­haf­ten Ansätze noch in Frage stel­len könn­ten. Sofern die Aspekte jedoch wei­ter vor­an­schrei­ten, lässt sich model­lie­ren, wo das Poten­zial ver­gleichs­weise hoch oder eher nied­rig ist. Die fol­gende Kar­ten geben Auf­schluss darüber.

Autor: Tobias Kass­ner, Lei­ter Rese­arch und Mit­glied der Geschäfts­lei­tung bei GARBE Indus­trial Real Estate GmbH

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Trend­ra­dar: Green Leases

Grüne Miet­ver­träge für Logistikimmobilien
– der Schlüs­sel zu mehr Nachhaltigkeit?

In Miet­ver­trä­gen von Logis­tik­im­mo­bi­lien fin­den sich zuneh­mend grüne Miet­ver­trags­klau­seln. Was steckt genau dahin­ter? Green Lea­ses bestehen in einer gro­ßen Brand­breite. Gene­rell sind dar­un­ter Miet­ver­träge zu ver­ste­hen, die Nach­hal­tig­keits­aspekte beinhal­ten. Sie kön­nen sich über Rege­lun­gen zu Reno­vie­rungs­maß­nah­men, Ver­brauchs­da­ten­über­mitt­lung, Res­sour­cen­ein­spa­run­gen, Mobi­li­täts­kon­zep­ten oder zur För­de­rung nach­hal­ti­ger Ener­gien erstre­cken. Wel­che Klau­seln letzt­lich in den Miet­ver­trag auf­ge­nom­men wer­den, ist nicht stan­dar­di­siert. Bei Miet­ver­trags­ver­hand­lun­gen für Logis­tik­im­mo­bi­lien wird indi­vi­du­ell ver­ein­bart, inwie­fern die Par­teien bereit sind, Nach­hal­tig­keits­aspekte zu berück­sich­ti­gen. Bei bestehen­den Miet­ver­trä­gen kön­nen ent­spre­chende Klau­seln im Rah­men von Nach­trä­gen mit auf­ge­nom­men werden.

Oft­mals eini­gen sich Mie­ter und Ver­mie­ter auf eine jähr­li­che Ver­brauchs­da­ten­er­fas­sung und einen ent­spre­chen­den Aus­tausch der Daten zu Was­ser- und Strom­ver­brauch sowie der Abfall­menge. Die Erfas­sung in kür­ze­ren Abstän­den wird zukünf­tig regu­la­to­risch erfor­der­lich sein. Die Abfrage der Ver­brauchs­da­ten ohne expli­zite Rege­lun­gen in Form von Green Lease Klau­seln gestal­tet sich jedoch teil­weise sehr müh­sam. Der Ver­mie­ter ist dabei auf die Koope­ra­tion des Mie­ters angewiesen.

Sollte keine Ver­brauchs­da­ten­lie­fe­rung erfol­gen, ist der Ver­mie­ter in sei­ner Bericht­erstat­tung zu Ener­gie­ef­fi­zi­enz und CO2-Emis­sio­nen der Objekte auf eine Ermitt­lung per Ener­gie­aus­weis ange­wie­sen. Dies bil­det die Rea­li­tät nur bedingt ab. Denn die Ener­gie­aus­weise geben nicht zwangs­läu­fig Aus­kunft über den tat­säch­li­chen Ver­brauch einer Logis­tik­im­mo­bi­lie. So unter­schei­det sich bspw. die Ener­gie­in­ten­si­tät enorm vom aus­ge­wie­se­nen Pri­mär­ener­gie­be­darf, wenn eine ener­gie­in­ten­sive Sor­tier­an­lage ein­ge­baut ist, die anders als Hei­zun­gen und Beleuch­tung nicht zur Gebäu­de­aus­stat­tung zählt.

Die Ver­ein­ba­rung einer Green Lease Klau­sel zum Aus­tausch der Ver­brauchs­da­ten fixiert eine dies­be­züg­li­che Zusam­men­ar­beit zwi­schen Nut­zer und Eigen­tü­mer und sollte daher Ein­gang in jede Miet­ver­trags­ver­hand­lung fin­den. Ergän­zen lässt sich dies um einen Zusatz, der die Zusam­men­ar­beit bei geplan­ten Maß­nah­men zur Ein­spa­rung von Was­ser, Ener­gie oder Abfall regelt.

Dane­ben ist auch eine Ver­ein­ba­rung hin­sicht­lich einer öko­lo­gi­schen und nach­hal­ti­gen Bewirt­schaf­tung der Immo­bi­lie üblich. Der Mie­ter hat im Betrieb einen gro­ßen Ein­fluss auf den Res­sour­cen­ver­brauch am Stand­ort sowie den Wert­erhalt der Logis­tik­im­mo­bi­lie. Ein Mie­ter- bzw. Nut­zer­hand­buch kann den Aspekt der nach­hal­ti­gen Bewirt­schaf­tung dies­be­züg­lich genauer defi­nie­ren. Die­ser Leit­fa­den kann gemein­sam erstellt wer­den und über eine sach­ge­rechte Nut­zung des Objekts infor­mie­ren. Die Ein­hal­tung der fest­ge­leg­ten Emp­feh­lun­gen kann sich posi­tiv auf den Lebens­zy­klus einer Logis­tik­im­mo­bi­lie auswirken.

Eine wei­tere Klau­sel kann sich auf Umbau- und Reno­vie­rungs­maß­nah­men bezie­hungs­weise auf die Aus­stat­tung der Miet­räum­lich­kei­ten bezie­hen. Bei der Umset­zung sol­cher Maß­nah­men, etwa einem nach­träg­li­chen Büro­aus­bau, ist dann bspw. die öko­lo­gi­schere und res­sour­cen­scho­nen­dere Vari­ante bzw. der Ein­satz nach­hal­ti­ger Mate­ria­lien zu wählen.

Auch um den Erhalt und die Erneue­rung von Gebäu­de­zer­ti­fi­zie­run­gen (LEED, DGNB oder BREEAM) sicher­zu­stel­len, gibt es ent­spre­chende Klau­seln. Der Mie­ter erklärt sich dabei zur Unter­stüt­zung einer mög­li­chen Zer­ti­fi­zie­rung bereit.

Wel­che grü­nen Klau­seln schluss­end­lich ver­ein­bart wer­den, basiert auf einem gemein­sa­men Ver­ständ­nis für eine schüt­zens­werte Umwelt und die Aus­rich­tung des Miet­ver­hält­nis­ses an nach­hal­ti­gen Kri­te­rien. Nach­hal­tig­keits­aspekte rücken dabei sowohl auf Ver­mie­ter als auch auf Mie­ter­seite immer mehr in den Fokus. Ent­spre­chende Rege­lun­gen bie­ten die Mög­lich­keit, Trans­pa­renz über die Ver­bräu­che zu schaf­fen, gemein­sam Ver­bes­se­rungs­maß­nah­men an den Immo­bi­lien umzu­set­zen und mit nach­hal­ti­gen Res­sour­cen ein bes­se­res Arbeits­um­feld zu schaf­fen. Durch eine ener­gie­ef­fi­zi­en­tere Nut­zung der Immo­bi­lie las­sen sich – als posi­ti­ver Neben­ef­fekt – auch Ein­spa­run­gen bei den Betriebs­kos­ten realisieren.

Auf­grund der unter­schied­li­chen Aus­prä­gun­gen, die ein Green Lease Miet­ver­trag anneh­men kann, kann zwi­schen Basis Green Lease Ver­trä­gen und Erwei­ter­ten Green Lease Ver­trä­gen unter­schie­den werden.

In der Basis-Vari­ante sind haupt­säch­lich die nach­hal­tige Nut­zung und Bewirt­schaf­tung im lau­fen­den Betrieb und die Über­mitt­lung von Ver­brauchs­da­ten an den Ver­mie­ter geregelt.

Die erwei­terte Ver­sion umfasst zusätz­li­che Ver­ein­ba­run­gen, z. B. zu nach­hal­ti­gen Erhaltungs‑, Moder­ni­sie­rungs- und sons­ti­gen Bau­maß­nah­men oder zum gemein­sa­men Anstre­ben einer Zertifizierung.

Eine Aus­wer­tung von über 60 Miet­ver­trä­gen von Logis­tik­im­mo­bi­lien ergibt, dass bei etwa Drei­vier­tel noch keine grü­nen Miet­ver­trags­klau­seln ent­hal­ten sind. Bei einem Vier­tel sind Nach­hal­tig­keits­aspekte in den Miet­ver­trä­gen berück­sich­tigt, davon ent­fällt der grö­ßere Teil auf Erwei­tere Green Lease Ver­träge mit umfang­rei­che­ren Vereinbarungen.

Autorin: Nata­lie Weber, Pro­ku­ris­tin, Head of Fund Manage­ment LIP Invest GmbH

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Trend­ra­dar: Kreislaufwirtschaft

Klare Kante bei der Kreis­lauf­wirt­schaft
Warum Logis­tik­im­mo­bi­lien für Cradle-to-Cradle-Pro­jekte prä­de­sti­niert sind und was dabei zu beach­ten ist

Office

Hei­del­berg geht mit gutem Bei­spiel voran. Mit einem Pilot­vor­ha­ben ist die Stadt am Neckar Pio­nier der Kreis­lauf­wirt­schaft in der Stadt­ent­wick­lung und im Städ­te­bau: Eine voll­stän­dige öko­no­mi­sche und öko­lo­gi­sche Ana­lyse des gesam­ten Gebäu­de­be­stands, der in einem digi­ta­len Mate­ri­al­ka­tas­ter zusam­men­ge­fasst wird, soll fortan Aus­kunft dar­über geben, wel­ches Mate­rial in wel­cher Qua­li­tät und in wel­cher Menge ver­baut wurde. Urban Mining nennt man so etwas. Und die­ser Art des moder­nen Berg­baus kommt in Zukunft eine Schlüs­sel­rolle zu. 

Rund die Hälfte des Abfall­auf­kom­mens in Deutsch­land machen Bau- und Abbruch­ab­fälle aus, wie­der­ver­wer­tet wird nur ein klei­ner Teil davon – und das zumeist in min­der­wer­ti­ge­rer Form. Hier kommt das Cradle-to-Cradle-Prin­zip (C2C) ins Spiel. Es beschreibt den Weg in eine Welt, in der wir und unser öko­no­mi­sches Tun zurück in das Kreis­lauf­sys­tem der Natur gefun­den haben: Alles, was wir pro­du­zie­ren, kann wie­der genutzt wer­den. „Von der Wiege zur Wiege“, wie C2C frei zu über­set­zen wäre, beschreibt im über­tra­ge­nen Sinn die Vision einer abfall­freien Wirtschaft.

Für genau diese Idee, Pro­duk­ti­ons- und Bau­stoffe als dau­er­hafte Nähr­stoffe in einem natür­li­chen Kreis­lauf zu sehen, sind Logis­tik­im­mo­bi­lien prä­de­sti­niert. Die­ser Mei­nung ist Mar­cel Özer, Mit­glied der Geschäfts­füh­rung von EPEA, einer Drees-&-Sommer-Tochter, die C2C-Lösun­gen erforscht und umsetzt. Er weiß, dass es heut­zu­tage auf eine res­sour­cen­scho­nende Bau­aus­füh­rung ankommt. Özer ist der Mei­nung, dass in der Logis­tik Gebäude als Pro­dukte gese­hen wer­den kön­nen. C2C wird dabei immer stär­ker auch zu einem Ver­mark­tungs­kri­te­rium. Bei C2C-kon­for­men Logis­tik­im­mo­bi­lien tre­ten des­halb neben emis­si­ons­sen­ken­den Maß­nah­men im Betrieb zuse­hends intel­li­gente Kon­zepte in den Vor­der­grund, die beim Bau „graue“ Ener­gie ein­spa­ren, indem kli­ma­scho­nende, recy­celte oder rege­ne­ra­tive Bau­ma­te­ria­lien ver­wen­det wer­den. Ein sol­cher Ansatz bringt auch ange­sichts stei­gen­der Bau- und Mate­ri­al­preise Vor­teile: Jede Tonne Stahl, jeder Kubik­me­ter Beton, die nicht teuer und auf lan­gem Lie­fer­weg bezo­gen wer­den müs­sen, spa­ren Ener­gie und Transportkosten.

EPEA-Geschäfts­füh­rer Özer ver­weist dabei auf die EU-Taxo­no­mie, deren Anlie­gen auch darin besteht, Trans­pa­renz zu erzeu­gen. Für eine C2C-Umset­zung von Logis­tik­im­mo­bi­lien braucht es näm­lich vor allem einen Grund­stock an Infor­ma­tio­nen: Denn nur das, was man mes­sen kann, kann auch ver­bes­sert wer­den. Zur­zeit liegt der Fokus auf Beton als größ­tem CO₂-Emit­ten­ten bei Bau­pro­jek­ten – mit einem Anteil von 50 Pro­zent. Bei nach­hal­ti­gen Immo­bi­lien nach dem C2C-Prin­zip geht der Blick aber über kurz­fris­tige CO₂-Emis­sio­nen hin­aus. Es dreht sich zuneh­mend auch um die Bereit­stel­lung der Roh­stoffe. So hat Stahl zwar den höhe­ren CO₂-Fuß­ab­druck als etwa Holz. Aber für die nächste Gene­ra­tion kann mit hoch­wer­ti­gem Stahl ein­fach wie­der­ver­wend­ba­res Mate­rial zur Ver­fü­gung gestellt werden.

Wie ein nach Kreis­lauf­ge­sichts­punk­ten vor­bild­li­ches Logis­tik­im­mo­bi­li­en­pro­jekt kon­kret aus­sieht, ist auf dem Grund­stück des Indus­trie­parks „Große Heide Wul­fen“ in Dors­ten zu betrach­ten. Dort ent­steht der­zeit das grünste Logis­tik­zen­trum Deutsch­lands – und zwar für die Mode­marke Levi Strauss (Levi’s). Es ist deutsch­land­weit die erste Logis­tik­flä­che, die dem Nach­hal­tig­keits­an­spruch C2C voll­um­fäng­lich ent­spricht. Auf dem Areal der ehe­ma­li­gen Zeche in Wul­fen begann Ende März die­ses Jah­res offi­zi­ell der Bau des Ful­fill­ment-Cen­ters. Bis Ende 2023 soll dort die zen­trale Waren­dreh­scheibe für Levi’s in Europa ent­ste­hen – ein Leucht­turm­pro­jekt für den Mar­ken­her­stel­ler. Der C2C-Ansatz wurde auch des­halb gewählt, weil nach­hal­tig pro­du­zierte Beklei­dung und ent­spre­chende Tex­ti­lien in der Mitte der Gesell­schaft ange­kom­men sind. Und weil die­ser Men­ta­li­täts­wan­del vor den Lie­fer­ket­ten nicht halt­macht, müs­sen die dahin­ter­ste­hende Logis­tik und das neue Dis­tri­bu­ti­ons­zen­trum stren­ge­ren Anfor­de­run­gen genügen.

Rund 70.000 Qua­drat­me­ter wird die neue Logis­tik­im­mo­bi­lie am revi­ta­li­sier­ten Berg­bau­stand­ort umfas­sen, die Levi Strauss für 20 Jahre gemie­tet hat. Bei der Über­tra­gung ihres Nach­hal­tig­keits­an­spruchs in die Logis­tik­pra­xis des „Posi­tive Foot­print Wear­house“ konnte auf die Exper­tise des Archi­tek­ten­bü­ros Quadrant4 zurück­ge­grif­fen wer­den, Gene­ral­un­ter­neh­mer ist BREMER Bau und Ent­wick­ler ist die bei C2C-Pro­jek­ten füh­rende Delta Deve­lo­p­ment Group, die mit dem Dors­te­ner Pro­jekt ein Zei­chen für zukunfts­ori­en­tier­tes Bauen set­zen will. Julian von Hoden­berg, Pro­jekt­ma­na­ger bei Delta für die Levi’s‑Immobilie, lis­tet die ein­zel­nen C2C-Ele­mente des Bau­vor­ha­bens auf:

  • Es wird auf Beton mit CO2-redu­zie­ren­den Zuschlag­stof­fen gesetzt, der von einem Beton­werk aus Dors­ten kommt.
  • Mate­ri­al­ge­sund­heit steht an ers­ter Stelle – nicht nur nach den Kri­te­rien der ange­streb­ten LEED- und WELL-Zer­ti­fi­zie­run­gen – son­dern auch durch erhöh­ten Stan­dard nach C2C.
  • Das Gebäude wird nach Fer­tig­stel­lung einen Gebäu­deres­sour­cen­pass haben.
  • Geplant sind ein geo­ther­mi­sches Heiz- und Kühl­sys­tem sowie begrünte Wände und Dächer.
  • Der Was­ser­durch­fluss der Sani­tär­an­la­gen wird auf zwei Liter pro Sekunde redu­ziert sein, statt den stan­dard­mä­ßi­gen sechs bis acht Litern pro Sekunde.
  • Die Pho­to­vol­ta­ik­an­lage auf dem Hoch­re­gal­la­ger – nicht sicht­bar in 27 Meter Höhe – wird 3,5 Mega­watt Strom gene­rie­ren, der für die Intra­lo­gis­tik genutzt wer­den soll. Über­schüs­sige Ener­gie kann ins Netz ein­ge­speist werden.
  • Abstell­mög­lich­kei­ten für Fahr­rä­der und Lade­sta­tio­nen für Elek­tro­fahr­zeuge sind geplant.
  • Ebenso wird ein Park auf dem Gelände ent­ste­hen, der spä­ter auch der All­ge­mein­heit zur Ver­fü­gung ste­hen soll.
  • Fort­schritt­li­che Recy­cling­an­la­gen für die Müll­ent­sor­gung run­den das Kon­zept ab.

Ganz im Sinne des C2C-Ansat­zes wer­den jeg­li­che Bau­ma­te­ria­lien des neuen Zen­trums auf Wie­der­ver­wer­tung aus­ge­legt und – von zen­tra­ler Bedeu­tung – in einer Mate­ri­al­da­ten­bank erfasst. Am Ende der Nut­zungs­pe­ri­ode ermög­licht eine spe­zi­elle archi­tek­to­ni­sche Ver­wen­dung die pro­blem­lose Tren­nung nach Mate­ri­al­typ. Dane­ben umfas­sen die C2C-Ele­mente drei wei­tere wich­tige Aspekte: erneu­er­ba­rer Ener­gien, Bio­di­ver­si­tät und Was­ser­ver­brauch. Im Sinne einer Kreis­lauf­wirt­schaft deckt sich das Bau­vor­ha­ben in Dors­ten mit den Anfor­de­run­gen der Check­liste „Umbau- und rück­bau­freund­li­che Pla­nung“ der Deut­schen Gesell­schaft für Nach­hal­ti­ges Bauen. Abruf­bar über: https://norocketscience.earth/alles-im-kreislauf/

Delta-Pro­jekt­ma­na­ger von Hoden­berg legt beim Thema Kreis­lauf­wirt­schaft gro­ßen Wert auf Aspekte jen­seits der öko­lo­gi­schen Nach­hal­tig­keit. So garan­tie­ren bei dem Dors­te­ner Pro­jekt neben dem C2C-Ansatz auf der bau­tech­ni­schen Seite soge­nannte Human-cen­te­red Designs Nach­hal­tig­keit für die Men­schen vor Ort: Das Logis­tik­zen­trum ist auf sozia­len Aus­tausch und Inspi­ra­tion aus­ge­legt und wird mit zahl­rei­chen Gemein­schafts- und Grün­flä­chen aus­ge­stat­tet. Grün wird der Fir­men­stand­ort dabei sowohl im wört­li­chen als auch im über­tra­ge­nen Sinne sein: Neben den Grün­flä­chen im Außen­be­reich erhält die Immo­bi­lie einen Dach­gar­ten, der sowohl zur Auf­recht­erhal­tung der Bio­di­ver­si­tät als auch als Sam­mel­stelle des gebäu­de­inter­nen Was­ser­kreis­laufs ein­ge­setzt wird. Durch den Ein­satz erneu­er­ba­rer Ener­gie­quel­len wird die Immo­bi­lie zudem einen Groß­teil ihres Ener­gie­be­darfs selbst decken kön­nen. Die LEED- und WELL-Zer­ti­fi­zie­run­gen unter­mau­ern den Nach­hal­tig­keits­cha­rak­ter des Gebäu­des zusätzlich.

Autorin: Janine Zim­mer­mann, Drees & Sommer

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Trend­ra­dar: EU-Taxonomie

ESG Taxo­no­mie
Ein­fluss auf die Ent­wick­lung und das Invest­ment in Logistikimmobilien

Schon seit vie­len Jahr­zehn­ten beschäf­ti­gen Unter­neh­men sich mit The­men der öko­lo­gi­schen Nach­hal­tig­keit und der sozia­len Ver­ant­wor­tung. Ein­zelne Unter­neh­men sind schon seit Jah­ren sehr fort­schritt­lich, frei­wil­lig und ohne einen ein­heit­li­chen äuße­ren Druck. Aller­dings steht in einem wett­be­werbs­ge­trie­be­nen Markt­um­feld die Wirt­schaft­lich­keit im Vor­der­grund. Da ein enor­mes Inves­ti­ti­ons­vo­lu­men not­wen­dig ist, um die Kli­ma­ziele der EU zu stem­men, rei­chen hier die selbst­re­gu­lie­ren­den Kräfte der Markt­wirt­schaft daher nicht aus. Die Taxo­no­mie ist ein wich­ti­ges Instru­ment, die Umset­zung von ESG-Zie­len voranzutreiben.

Nach einer Anfangs­phase, in der die ESG-Stra­te­gie von Unter­neh­men häu­fig auf ein vage for­mu­lier­tes CO2-Ziel abge­deckt wurde, das ggf. durch Kom­pen­sa­tion erreicht wer­den sollte, haben viele Unter­neh­men gerade im Immo­bi­li­en­be­reich begon­nen, im Seg­ment der sozia­len Nach­hal­tig­keit kon­krete Umset­zungs­maß­nah­men zu ergrei­fen, die unter der Über­schrift CSR bereits begon­nen wur­den. Durch Ein­füh­rung der Taxo­no­mie hat sich hier ein deut­li­cher Wan­del mani­fes­tiert: Da die Bei­trags­kri­te­rien der Taxo­no­mie auf den Kli­ma­wan­del fokus­sie­ren, sind The­men wie CO2-Fuß­ab­druck, Kreis­lauf­wirt­schaft und Embo­died Energy wie­der in den Vor­der­grund gerückt, dies­mal aber mit kon­kre­ten Maß­nah­men. Diese wur­den durch die Ener­gie­wende und den Preis­druck bei der Ener­gie­ver­sor­gung wei­ter verstärkt.

Bei Neu­bau­ten sind eine ener­gie­ef­fi­zi­ente Gebäu­de­tech­nik, E‑Mobilität und auch erneu­er­bare Ener­gien inzwi­schen Stan­dard. Die Erfas­sung von ver­bau­ten Mate­ria­lien in einer Mate­ri­al­da­ten­bank zur Ermög­li­chung künf­ti­ger Kreis­lauf­wirt­schaft [intern: Ver­lin­ken auf Trend­ra­dar Arti­kel] ist eben­falls – durch die Digi­ta­li­sie­rung – Teil eines moder­nen Neu­baus. Kli­ma­schutz durch Ener­gie­ef­fi­zi­enz steht hier noch im Fokus, wobei Anpas­sung an den Kli­ma­wan­del in Form von natür­li­cher Beschat­tung durch Begrü­nung auch bereits Berück­sich­ti­gung fin­det. Obwohl die soziale Taxo­no­mie noch nicht kon­kret defi­niert ist, wer­den auch soziale Fak­to­ren in der Immo­bi­lie immer wich­ti­ger: Getrie­ben durch die Situa­tion am Arbeits­markt und im Bemü­hen, durch Arbeit­ge­ber­at­trak­ti­vi­tät eine stär­kere Mit­ar­bei­ter­bin­dung zu errei­chen, wächst die Nach­frage an Immo­bi­lien, die den Nut­zen­den in den Mit­tel­punkt stellen.

Bei der Umset­zung von ESG-Maß­nah­men geben Pro­jekt­ent­wick­lun­gen klar den Ton an, Pro­dukt­in­no­va­tio­nen, Digi­ta­li­sie­rung und State-of-the-Art bei den Anfor­de­run­gen und im Gebäu­de­de­sign kön­nen hier in die Pla­nung ein­flie­ßen und sind oft wirt­schaft­li­cher als eine Nach­rüs­tung im Bestand. Somit dik­tie­ren diese auch die Kri­te­rien, die im Rah­men einer ESG-Due-Dili­gence bei Ankauf abge­fragt wer­den, zusätz­lich zu ESG-spe­zi­fi­schen Stand­ort­fra­gen wie die Anbin­dung an den öffent­li­chen Nah­ver­kehr und die Nah­ver­sor­gung, Erreich­bar­keit per Fahr­rad, aber auch das phy­si­sche Klimarisiko.

Auch die Nutz­bar­keit der Dach­flä­che für die Nach­rüs­tung von PV-Anla­gen sowie die Son­nen­stun­den am Stand­ort sind wich­tige Fak­to­ren im Ankauf. Die Pro­duk­tion erneu­er­ba­rer Ener­gien und die Nut­zung von Grün­strom sind wich­tige Fak­to­ren bei der Ana­lyse der soge­nann­ten Stran­ded Assets, bestim­men also, ob die Immo­bi­lie den Kli­mapfad von 1,5 bzw. 2 Grad Cel­sius ein­hal­ten wird. Der Moder­ni­sie­rungs­auf­wand, der nötig ist, um die Immo­bi­lie auf die­sem Pfand zu hal­ten und der Zeit­ho­ri­zont, in dem die Inves­ti­tio­nen zu täti­gen sind, wird eine zuneh­mend wich­ti­gere Betrach­tung bei der Inves­ti­ti­ons­ent­schei­dung spie­len, da diese mit dem Inves­ti­ti­ons­ho­ri­zont und dem ver­füg­ba­ren Bud­get ver­ein­bar sein muss. Noch schlägt sich die­ses soge­nannte „tran­si­to­ri­sche Kli­ma­ri­siko“ nicht kon­kret in der Preis­fin­dung in Form eines Brown Dis­count nie­der, ob dies ange­sichts der CO2-Beprei­sung so blei­ben wird, ist mehr als frag­lich. Aller­dings wird erwar­tet, dass sehr moderne, ESG-kon­forme Hal­len schon bald in den Genuss einer Höher­be­wer­tung kom­men (Green Pre­mium), da diese auch für den Mie­ter­markt deut­lich attrak­ti­ver sind.

Wer sich für die Inves­ti­tion in Bestands­im­mo­bi­lien und somit für die Bewah­rung der Embo­died Energy – der bereits für die Erste­hung des Gebäu­des ver­wen­de­ten Pri­mär­ener­gie – ent­schei­det, steht vor vie­len Her­aus­for­de­run­gen. Jede Asset­klasse hat hier eigene Fokus­the­men für eine geeig­nete Manage-to-ESG-Stra­te­gie. Bei Logis­tik­im­mo­bi­lien ist bei­spiel­weise im Sin­gle-Ten­ant-Bereich bereits die Trans­pa­renz von Ver­brauchs­da­ten eine Her­aus­for­de­rung – zugleich aber eine wich­tige Grund­lage für die Defi­ni­tion geeig­ne­ter Maß­nah­men zur Ver­bes­se­rung der Ener­gie­ef­fi­zi­enz. Auch spielt die Nut­zungs­art eine wich­tige Rolle bei den CO2-Aus­stö­ßen im Betrieb: Ver­brauchs­da­ten erlau­ben somit nur schwer, Rück­schlüsse in Bezug auf die Ener­gie­ef­fi­zi­enz der Hal­len zu zie­hen. Die Ana­lyse und Defi­ni­tion einer geeig­ne­ten Manage-to-ESG-Stra­te­gie der Hal­len lässt sich somit nur mit viel Erfah­rung und Fach­kennt­nis meistern.

Grafik

Autor: Tobias Kass­ner, Lei­ter Rese­arch und Mit­glied der Geschäfts­lei­tung bei GARBE Indus­trial Real Estate GmbH

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Trend­ra­dar: Systemrelevanz

Logis­tik: Sys­tem­re­le­van­ter Wirt­schafts­be­reich mit wach­sen­der Bedeutung

Hafen Trier

Bereits die Corona-Pan­de­mie hat die wich­tige Bedeu­tung von Logis­tik und funk­tio­nie­ren­den Sup­ply-Chains deut­lich gemacht. Aktu­elle Her­aus­for­de­run­gen wie der Kon­flikt in der Ukraine sowie Waren­knapp­heit ver­stär­ken die Wahr­neh­mung der Logis­tik durch die Öffent­lich­keit. Das ist wich­tig, denn der dritt­größte Wirt­schafts­be­reich in Deutsch­land hat eine her­aus­ra­gende Bedeu­tung und ist ein sys­tem­re­le­van­ter Ver­sor­ger – aber lei­der von der Öffent­lich­keit oft unter­schätzt. Seit vie­len Jah­ren wächst der Ver­ant­wor­tungs­be­reich von Logis­tik. Mit ihrer Pla­nungs- und Steue­rungs­funk­tion und auch mit der zuneh­men­den Digi­ta­li­sie­rung nimmt sie längst viel mehr Auf­ga­ben wahr als Lage­rung und Transport. 

Nur wenige Men­schen, die nicht tag­täg­lich mit Logis­tik oder Sup­ply Chains zu tun haben, sind sich der her­aus­ra­gen­den Bedeu­tung der Logis­tik bewusst. Dabei ist sie mit einem Umsatz von rund 293 Mrd. Euro (2021) und etwa 3,3 Mio. Beschäf­tig­ten nach Auto­mo­bil­wirt­schaft und Han­del der dritt­größte Wirt­schafts­be­reich Deutsch­lands und bedeu­ten­der Fak­tor sowohl für die Wirt­schaft als auch als Job­mo­tor und Wachs­tums­trei­ber. Nur knapp die Hälfte der logis­ti­schen Leis­tun­gen, die in Deutsch­land erbracht wer­den, besteht in der gemein­hin sicht­ba­ren Bewe­gung von Gütern durch Dienst­leis­ter zu Lande, zu Was­ser und in der Luft. Die andere Hälfte fin­det in der Pla­nung, Steue­rung und Umset­zung inner­halb von Unter­neh­men statt. Allein 80.000 über­wie­gend mit­tel­stän­disch geprägte Unter­neh­men sind Teil des Logis­tik­dienst­leis­tungs­sek­tors, damit arbei­ten rund drei­mal so viele Men­schen in der Logis­tik wie bei­spiels­weise im Maschinenbau.

Eine moderne Volks­wirt­schaft ist mit ihrer kom­ple­xen Ver­net­zung sowie hoch­gra­di­gen Arbeits­tei­lung auf eine leis­tungs­fä­hige Logis­tik ange­wie­sen. Dies gilt ins­be­son­dere für den Logis­tik­welt­meis­ter Deutsch­land (laut Logi­stics Per­for­mance Index (LPI) der Welt­bank). In den letz­ten 20 Jah­ren haben sich die Umsätze im Wirt­schafts­be­reich in Deutsch­land ver­dop­pelt, wäh­rend bei­spiels­weise die Umsätze im ver­ar­bei­ten­den Gewerbe „ledig­lich“ um rund 50 Pro­zent zuge­nom­men haben. Die Logis­tik hat sich damit als ein wich­ti­ger inlän­di­scher Wachs­tums­fak­tor ent­wi­ckelt und bewährt.

Wirt­schafts­be­reich mit Systemrelevanz 

Gleich­zei­tig geht die Sys­tem­re­le­vanz des Wirt­schafts­be­reichs Logis­tik sogar noch über ihre volks­wirt­schaft­li­che Bedeu­tung hin­aus, indem er eine Schlüs­sel­rolle für die Ver­sor­gung von Pro­duk­tion, Han­del und Bevöl­ke­rung spielt. Denn ohne ihn funk­tio­niert fast nichts. In unse­rem moder­nen Wirt­schafts­ge­füge gibt es wohl kei­nen Bereich, der nicht von der Bereit­stel­lung von Waren und Infor­ma­tio­nen abhän­gig wäre. So wie bei­spiels­weise dafür, dass Super­markt­re­gale gefüllt oder Apo­the­ken und Kran­ken­häu­ser Medi­ka­mente aus­ge­ben kön­nen, aber auch, dass drin­gend benö­tigte Ersatz­teile gelie­fert wer­den für Land­wirt­schaft, Pro­duk­tion und Automobilindustrie.

Dabei sind die logis­ti­schen Pro­zesse kom­plex und müs­sen ent­lang der gan­zen Sup­ply Chain per­fekt auf­ein­an­der abge­stimmt sein, um Stö­run­gen und Unter­bre­chun­gen zu ver­mei­den bzw. zu redu­zie­ren. Gerade wäh­rend der ers­ten Corona-Welle in Europa wurde deut­lich, wie fle­xi­bel Logis­ti­ke­rin­nen und Logis­ti­ker auf die Her­aus­for­de­run­gen reagie­ren und damit die Sup­ply Chains auch in sehr schwie­ri­gen Situa­tio­nen wie einer Pan­de­mie in den aller­meis­ten Fäl­len auf­recht­erhal­ten können.

Auch die ste­tige Opti­mie­rung eige­ner Pro­zesse, deren Inte­gra­tion in die Abläufe in der gesam­ten Sup­ply Chain, die Digi­ta­li­sie­rung und Nut­zung moder­ner Tech­no­lo­gien sind ele­men­tar. Das gilt z. B. für die Logis­tik des Lebens­mit­tel­han­dels. Pas­sende Tem­pe­ra­tur­füh­rung und schnelle Pro­zesse zwi­schen Waren­ein­gang, Kom­mis­sio­nie­rung und Ver­tei­ler­ver­kehr sind hier eine wesent­li­che Her­aus­for­de­rung, um die Fri­sche der Waren zu gewähr­leis­ten. Für die Kun­den der Logis­tik­dienst­leis­ter kommt es auf zer­ti­fi­zierte Pro­zesse und deren Ska­lier­bar­keit an.

Bedeu­tung nimmt wei­ter zu 

Auch in Zukunft wird die Rolle der Logis­tik für Gesell­schaft und Wirt­schaft wei­ter zuneh­men. Dies zeigt allein der nach wie vor boo­mende Online­han­del. Nach Anga­ben des Bun­des­ver­bands E‑Commerce und Ver­sand­han­del e. V. (bevh) stieg der Brutto-Umsatz mit Waren im E‑Commerce im Gesamt­jahr 2021 auf 99,1 Mrd. Euro nach 83,3 Mrd. Euro im Jahr 2020, und setzt damit den Wachs­tums­kurs der letz­ten Jahre fort. Für die Logis­tik bedeu­tet dies zum einen stei­gende Paket­vo­lu­mina. So wur­den laut der KEP-Stu­die 2021 des Bun­des­ver­bands Paket und Express­lo­gis­tik (BIEK) im Jahr 2020 mehr als vier Mrd. Sen­dun­gen deutsch­land­weit ver­sen­det. Dar­über hin­aus sind immer mehr zusätz­li­che Ser­vices nötig, um die kom­ple­xen Cross- bzw. Omni-Chan­nel-Ange­bote bear­bei­ten zu kön­nen, bei der ver­schie­dene Ver­kaufs­ka­näle mit­ein­an­der kom­bi­niert wer­den. Hinzu kom­men die Ange­bots­for­men einer zeit­ge­bun­de­nen Zustel­lung wie Same-Day- bzw. Same-Hour-Zustellungen.

Ohne eine gut funk­tio­nie­rende Logis­tik ist ein erfolg­rei­cher Inter­net­han­del nicht mög­lich. Das betrifft schon allein die Logis­tik­flä­chen zur Lage­rung und Bear­bei­tung der Waren und Pro­dukte. So rech­nete der Immo­bi­li­en­dienst­leis­ter CBRE vor, dass der E‑Commerce den Bedarf nach Logis­tik­flä­che bis 2025 um zusätz­li­che vier Mio. Qua­drat­me­ter stei­gen lasse. Hin­zu­kom­men aber auch die bereits bestehen­den Bestre­bun­gen und Stra­te­gien zum Aus­bau regio­na­ler Puf­fer­la­ger zur Auf­recht­erhal­tung der gegen­wär­ti­gen wie zukünf­ti­gen Pro­duk­ti­ons­si­cher­heit. Immer­hin haben die aktu­el­len Her­aus­for­de­run­gen ent­lang der Sup­ply Chains wie der Ukraine-Kon­flikt oder Con­tai­ner-Staus an Über­see­hä­fen dafür gesorgt, Sup­ply Chains noch stär­ker nach dem Sta­bi­li­täts­fak­tor aus­zu­rich­ten. Der Aus­bau einer loka­len Infra­struk­tur im Rah­men von Near­sho­ring-Stra­te­gien spielt dafür eine wesent­li­che Rolle, die schon jetzt z. B. bei der Halb­lei­ter- als auch Bat­te­rie­pro­duk­tion deut­lich wer­den. Diese Anfor­de­run­gen an die Zukunft kön­nen ohne Logis­tik nicht gestemmt werden.

Umso mehr steigt der Bedarf, die wich­tige Bedeu­tung und Funk­tion der Logis­tik in die öffent­li­che Wahr­neh­mung zu tra­gen und damit für mehr Aner­ken­nung, Wert­schät­zung und neue Fach­kräfte zu sor­gen. Die Initia­tive „Die Wirt­schafts­ma­cher“ hat sich genau das zum Ziel gesetzt und wirbt in vie­len Kam­pa­gnen vor allem auf Online-Kanä­len für die Viel­falt und Attrak­ti­vi­tät des Wirt­schafts­be­reichs. Damit möchte sie vor allem junge Men­schen von der Logis­tik begeis­tern als ein sys­tem­re­le­van­ter Wirt­schafts­be­reich mit stän­dig wach­sen­der Bedeutung.

Mehr Infos unter: www.die-wirtschaftsmacher.de

Autorin: Frauke Heis­ter­mann, Spre­che­rin der Initia­tive “Die Wirtschaftsmacher”

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