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Near­sho­ring ist auf dem Vormarsch

Nearshoring Symbolbild

Sup­ply Chains sind anfäl­li­ger denn je – in der Folge steigt das Risiko für Lie­fer­ver­zö­ge­run­gen und Ver­sor­gungs­eng­pässe. Beson­ders die COVID‑19‑Krise hat die Abhän­gig­keit Euro­pas etwa im Bereich der Halb­lei­ter­pro­duk­tion offen­ge­legt. Als Gegen­stra­te­gie gewinnt Near­sho­ring zuneh­mend an Bedeu­tung. Fer­ti­gung und Ser­vices in näher gele­gene Län­der zu ver­la­gern, ver­kürzt Lie­fer­zei­ten, ver­bes­sert die Reak­ti­ons­fä­hig­keit bei kurz­fris­ti­gen Markt­ver­än­de­run­gen und redu­ziert CO2-Emissionen.

Glo­bale Pro­duk­ti­ons- und Lie­fer­ket­ten ste­hen seit eini­gen Jah­ren unter Druck. Han­dels­kon­flikte, poli­ti­sche Unsi­cher­hei­ten und kri­sen­be­dingte Stö­run­gen haben die „Ver­wund­bar­keit“ die­ser Struk­tu­ren offen­ge­legt. Viele Unter­neh­men bewer­ten daher ihre bis­he­ri­gen Off­s­ho­ring-Stra­te­gien neu und son­die­ren Alter­na­ti­ven. Eine davon ist Near­sho­ring, die Ver­la­ge­rung von Unter­neh­mens­ak­ti­vi­tä­ten wie etwa Fer­ti­gungs­pro­zesse oder Dienst­leis­tun­gen ins nahe Aus­land, oft­mals in Nach­bar­län­der. Statt maxi­ma­ler Kos­ten­ef­fi­zi­enz rücken ver­stärkt Aspekte wie Resi­li­enz, Ver­füg­bar­keit und Reak­ti­ons­ge­schwin­dig­keit in den Vor­der­grund. Kür­zere Wege und gerin­gere Abhän­gig­kei­ten machen die­sen Ansatz beson­ders für die phar­ma­zeu­ti­sche Indus­trie, die Kon­sum­gü­ter­bran­che und nicht zuletzt für den euro­päi­schen Hoch­tech­no­lo­gie-Bereich attrak­tiv, der wäh­rend der Pan­de­mie beson­ders unter der Knapp­heit von Mikro­chips litt.

Schnell wach­sende Nachfrage

Die Risi­ken, die neu­er­li­che Eng­pässe mit sich brin­gen wür­den, stei­gen deut­lich – denn der euro­päi­sche Bedarf an Chips wächst rasant. Laut einer Erhe­bung der EU-Kom­mis­sion aus dem Jahr 2022 dürfte sich die Nach­frage in Europa bis 2030 sogar ver­dop­peln. Um dem ent­ge­gen­zu­wir­ken, brachte die EU-Kom­mis­sion 2023 den Euro­pean Chips Act auf den Weg, ein Maß­nah­men­pa­ket, das 43 Mrd. EUR an öffent­li­chen und pri­va­ten Inves­ti­tio­nen mobi­li­siert. Das Ziel: Die euro­päi­sche Halb­lei­ter­pro­duk­tion und Wett­be­werbs­fä­hig­keit stärken.

Inner­halb Euro­pas hat sich Sach­sen zu einem zen­tra­len Stand­ort der Halb­lei­ter­fer­ti­gung ent­wi­ckelt. Den Grund­stein legte Robo­tron bereits im Jahr 1969 in Dres­den, heute bil­det „Sili­con Sax­ony“ Euro­pas größ­tes Mikro­elek­tro­nik- und IKT-Clus­ter und ran­giert im welt­wei­ten Ver­gleich unter den Top fünf. So beschäf­ti­gen rund 3.650 Tech-Unter­neh­men mehr als 80.000 Men­schen. Dar­über hin­aus stammt schon jetzt jeder dritte in Europa gefer­tigte Chip aus dem Frei­staat – Ten­denz stei­gend. Der­zeit ent­steht etwa in Dres­den eine Fabrik des glo­bal füh­ren­den Halb­lei­ter­her­stel­lers TSMC. Den Pro­duk­ti­ons­start an sei­nem ers­ten euro­päi­schen Stand­ort plant das tai­wa­ni­sche Unter­neh­men für 2027.

Zuneh­mend Ansied­lun­gen aus Asien

Auch bei CTP erle­ben wir ver­stärk­tes Inter­esse von asia­ti­schen Unter­neh­men, sich in der EU bzw. in Deutsch­land anzu­sie­deln. Dem haben wir durch unsere Stand­ort- und Wachs­tums­stra­te­gie Rech­nung getra­gen und 2023 unsere erste Nie­der­las­sung in Hong­kong eröff­net – inzwi­schen machen Kun­den aus Asien etwa 10 Pro­zent des CTP-Port­fo­lios an Indus­trie- und Logis­tik­flä­chen aus. Ein Bei­spiel für die wach­sen­den Akti­vi­tä­ten asia­ti­scher Unter­neh­men in Europa sind die Inves­ti­tio­nen von Top­band Smart Europe im rumä­ni­schen CTPark Timiso­ara oder von KSHG Auto Harness im CTPark Deva II.

Und auch der deut­sche Markt ist gefragt. Für Quanta Com­pu­ter Inc. ent­steht in Jülich, Nord­rhein-West­fa­len, ein neuer High­tech-Stand­ort. Für den Her­stel­ler von Com­pu­tern und elek­tro­ni­scher Hard­ware, der eben­falls aus Tai­wan stammt, rea­li­sie­ren wir im CTPark Jülich rund 22.500 m² Pro­duk­ti­ons­flä­che, die die Anfor­de­run­gen des Unter­neh­mens genau abbil­den. Zur Aus­stat­tung zählt etwa ein Labor für Pro­dukt­tests mit spe­zi­ell kon­zi­pier­tem Schleu­sen­sys­tem. Auch eine auto­ma­ti­sierte Fer­ti­gungs­stre­cke und Robo­ti­k­lö­sun­gen kom­men zum Ein­satz. Für das Dach sind außer­dem groß­flä­chige Pho­to­vol­ta­ik­an­la­gen geplant sowie eine DGNB-Gold-Zer­ti­fi­zie­rung. Die Lage in unmit­tel­ba­rer Nähe zur bel­gi­schen und nie­der­län­di­schen Grenze sichert Quanta eine aus­ge­zeich­nete logis­ti­sche Anbin­dung an wei­tere euro­päi­sche Märkte. Ins­ge­samt beläuft sich das Invest­ment auf rund 45 Mio. EUR. Die Fer­tig­stel­lung des Pro­jekts ist für das zweite Halb­jahr 2025 vorgesehen.

Deut­sche Standortvorteile

Trotz ver­schie­de­ner Her­aus­for­de­run­gen ent­schei­den sich Unter­neh­men wie TSMC oder Quanta, die sich in Deutsch­land nie­der­las­sen, für einen der nach wie vor attrak­tivs­ten Wirt­schafts­stand­orte Euro­pas – nicht zuletzt dank sei­ner sta­bi­len Rah­men­be­din­gun­gen und gut aus­ge­bau­ten Infra­struk­tur. Neben einem dich­ten Ver­kehrs- und Logis­tik­netz bie­tet der deut­sche Arbeits­markt zudem Zugang zu her­vor­ra­gend aus­ge­bil­de­ten Fach­kräf­ten, ein ent­schei­den­der Stand­ort­vor­teil beson­ders für tech­no­lo­gie­ori­en­tierte Branchen.

Für die erfolg­rei­che Umset­zung von Near­sho­ring-Vor­ha­ben braucht es jedoch nicht zuletzt pass­ge­naue Immo­bi­lien an ver­kehrs­güns­tig gele­ge­nen Stand­or­ten. Pro­jekt­ent­wick­ler mit lang­jäh­ri­ger Erfah­rung und hoher Exper­tise kön­nen diese effi­zi­ent bereit­stel­len. Ein lang­fris­tig ori­en­tier­ter Bestands­hal­ter ist außer­dem in der Lage, auch das Flä­chen­ma­nage­ment zu über­neh­men, ein Aspekt, der den Markt­ein­tritt zusätz­lich erleichtert.

Im bes­ten Fall kom­bi­nie­ren Flä­chen­kon­zepte die Ent­ste­hung neuer Immo­bi­lien und Unter­neh­mens­stand­orte mit der Revi­ta­li­sie­rung unge­nutz­ter Brach­flä­chen. Da diese oft­mals über eine gut aus­ge­baute Anbin­dung und Infra­struk­tur ver­fü­gen, erleich­tern sie Unter­neh­men die Ansied­lung. Dar­über hin­aus tra­gen sie dazu bei, den wirt­schaft­li­chen Stand­ort von Kom­mu­nen zu stär­ken – und kom­men nicht zuletzt Klima und Umwelt zugute, da keine „grüne Wiese“ ver­sie­gelt wer­den muss.

Autor: Timo Hiel­scher, Mana­ging Direc­tor M&A bei CTP Deutschland